Der LED-Künstler Karol Hurec zeigt in seiner Galerie am Spital einen Querschnitt seiner neuesten Arbeiten: leuchtende philosophisch-künstlerische Appelle an die menschliche Vernunft, Sinnsuche und Hommage an die Schöpfung.
von Sabine Raithe
Der malerische Barockgarten am ehemaligen Kronacher Bürgerspital glänzt im Widerschein des Lichts. Und auch der frühere, verglaste Speisesaal und das angrenzende Wirtschaftsgebäude funkeln in leuchtenden Farben. Der LED-Künstler Karol Hurec hat hier, neben dem leerstehenden Dientzenhofer-Bau, an einem der wohl schönsten, aber etwas abgelegenen Plätze im Zentrum der Stadt, einen ganz besonderen Ort geschaffen. Ein Idyll, an dem Kunst entsteht - und an dem man Kunst betrachten kann. Am Wochenende hat Hurec die Türen zu seinem Atelier und zu seiner Galerie geöffnet und den zahlreich erschienen Gästen seine neuesten Arbeiten präsentiert.
Im Atelier zeigt er großdimensionierte, rot leuchtende „X“ auf Edelstahl, 2,30 Meter im Durchmesser. Ein Statement: Das „X“ ist in den Arbeiten von Karol Hurec ein immer wiederkehrendes Element - mal als Code für das weibliche Chromosom „XX“, mal als Bestandteil einer Art Weltformel, die das „Alles und Nichts“, Materie und Licht, Hell und Dunkel, das Greifbare aber auch das nicht zu (Be-)Greifende zu erklären versucht.
Daneben: Variationen in Miniaturformat, frei hängende, an interstellare Wolken erinnernde Lichtobjekte, Zeichnungen sowie die Objekt-Serie „XX-Power-Ladies“ - kleine „X“ auf Granit, bei denen Hurec die Attribute stark und zerbrechlich vereint. Im ehemaligen Wirtschaftsgebäude überraschen neue Arbeiten, in denen er sich u.a. mit Lichtphänomenen, Nachbildern und Reflexionen auseinandersetzt. Der Betrachter ist eingeladen, hier seine eigenen Wahrnehmungsmuster unter die Lupe zu nehmen: Was ist real vorhanden - und was konstruiert das Gehirn dazu? Was können wir glauben? Was ist nur Illusion? Dann ein Farbwechsel. Hurec, der bislang vornehmlich mit Rot, der Symbolfarbe für das Weibliche, für Wärme und Liebe aber auch Signal- und Warnfarbe, gearbeitet hat, hat nun Blau für sich entdeckt. „Warme Empathie in blauer Frequenz“, so der Titel einer Arbeit. Der Lichtkünstler tritt hier den Beweis an, dass blaues Licht, Sinnbild für das Männliche, für Autorität und kühle Distanziertheit, durchaus auch einladend warm wirken kann. In der Arbeit „In der Masse bist Du unsichtbar“ lässt Hurec goldfarbene „X“ aus Reihen schwarzer „X“ heraustreten. Ein Lob der Individualität. Und dann entdeckt das Auge plötzlich inmitten langer, sich wiederholender „X“-Ketten ein „Y“. Das „Y“-Chromosom bewirkt bei Menschen bzw. Säugetieren die Ausbildung des männlichen Phänotyps. Die perfekte Symmetrie der „X“-Reihen scheint in den Wandobjekten von Karol Hurec erstmals unterbrochen - vielleicht ist sie aber auch im Zusammenspiel von „X“ und „Y“ erstmals wirklich perfekt. Im nächsten Raum überrascht der Künstler mit ungewöhnlicher Farbigkeit. Bunte, wenn man so will diverse „X“ tummeln sich hier fröhlich auf grünem Untergrund. Der Titel: „Wir blühen gerne in Freiheit“. Ein bunt leuchtendes Acrylkreuz trägt den Titel „Creative DNA becomes visible“ (dt. „Die kreative DNA wird sichtbar“) und ist Teil der Werkfolge „Hommage an Mileva Marić“.
Was der Lichtkünstler vor einigen Jahren mit seinen rot leuchtenden Referenzen an große Frauen wie Mileva Marić, die stets im Schatten bedeutender Männer standen, begann, setzt er jetzt im Sinne von „Gleichwertigkeit“ fort. „Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist für mich eine ganz grundlegende Frage von Existenz und Gerechtigkeit. Aber das ist nur ein Aspekt. Es geht um die Wertschätzung aller Menschen und um die Wertschätzung der gesamten Schöpfung“, so Karol Hurec.
Die Kunst von Karol Hurec ist optischer Blickfang - aber sie ist noch weit mehr. Sie hat immer Bedeutung, immer eine Botschaft. Seine neuesten Arbeiten sind ein Weitergehen auf seinem Weg, die Welt zu verstehen. Karol Hurec arbeitet mit den Mitteln der LED-Kunst daran, das Geheimnis der Welt zu lüften, Codes und Strukturen zu dechiffrieren und Licht dahin zu bringen, wo noch Dunkel herrscht. Und damit ist er in der Kunstgeschichte in bester Gesellschaft, in der es - angefangen von den Fenstern gotischer Kathedralen bis hin zu den kalifornischen „Light and Space“- Wahrnehmungskünstlern der 1960er Jahre - letztlich immer um die Gestaltung von Licht ging. In seiner künstlerischen Arbeit, im Forschen um die Funktionsweise des Seins, zieht Hurec Verbindungen zu Physik, Religion und Philosophie. Vor Jahrzehnten, als Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in München, malte er das „Nichts“ mit weißer Farbe auf weißem Papier. Heute beschäftigt er sich mit dem „Alles“, dem großen Ganzen, das er in seinen LED-Objekten chiffriert. Es ist ein Weg der Erkenntnis.